Rückblick Digitaler Fachaustausch

Antisemitismus in der Schule. Unterschiede und Schnittstellen zum Rassismus

Am 23. September 2024 fand erneut eine Online-Veranstaltung im Rahmen unserer regelmäßigen digitalen Fachaustausche statt. Diesmal befassten wir uns mit dem Thema „Antisemitismus in der Schule. Unterschiede und Schnittstellen zum Rassismus”. Die Reihe wird in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik (DeGeDe) und dem Kompetenznetzwerk Demokratiebildung im Jugendalter (KNW) veranstaltet.

Die digitalen Fachaustausche zu Themen rund um einediskriminierungs- und rassismuskritische Schule sind ein mittlerweile bewährtes Format, um Akteur*innen, die mit von Rassismus betroffenen Kindern, Jugendlichen und Eltern in Beratungsfunktionen arbeiten, bundesweit zu vernetzen und eine länderübergreifende Zusammenarbeit zu ermöglichen. Neben den Impulsvorträgen gibt es Raum für Austausch und Diskussion in Kleingruppen sowie mit allen Teilnehmenden.

Hier können die Fachimpulse angeschaut werden.

1. Vortrag: Antisemitismus- und Rassismuskritik in Schule zusammendenken

Prof. Dr. Friederike Lorenz-Sinai ist Professorin für Methoden der Sozialen Arbeit und Sozialarbeitsforschung an der FH Potsdam. Sie argumentiert auf Basis ihrer Studien dafür, Antisemitismus und Rassismus – trotz der Unterschiede im ideologischen Kern – in der Schule gemeinsam zu behandeln.

 

Die wichtigsten Punkte des Vortrags

  • Warum werden beide Begriffe überhaupt unterschieden? Rassismus als Ideologie der Separierung und Trennung; Antisemitismus als Ideologie der Vernichtung
  • Neben Unterschieden gibt es zugleich Übergänge, historische Zusammenhänge und Parallelen zwischen Rassismus und Antisemitismus
  • Paradigmenwechsel zu einer rassismuskritischen Haltung, in der man sich als Teil rassistischer Strukturen sieht, begann in den letzten 10–20 Jahren; sollte für Antisemitismuskritik übernommen werden
  • Traditionslinien und Leerstellen des Antisemitismus: Historisierung, Distanz, Verdinglichung und Perspektivendivergenz (Antisemitismus wird oft historisch verortet, als fernes Problem wahrgenommen, auf einzelne Ereignisse reduziert und unterschiedlich interpretiert – diese Muster können dazu führen, dass aktuelle Formen nicht erkannt oder nicht ernst genommen werden.)
  • Ihre Studien zeigen, dass Lehrkräfte Antisemitismus an ihren Schulen eher nicht wahrnehmen, was diese dadurch erklären, dass es keine jüdischen und/oder wenig muslimisch markierte Schüler*innen in der Klasse sind. Somit wird das Problem externalisiert – einerseits auf die Betroffenen oder aufgrund rassistischer Zuschreibungen auf eine andere marginalisierte Gruppe
  • Jüdische Schüler*innen und Eltern nehmen Antisemitismus hingegen schon früh wahr
  • Es braucht eine selbstkritische Reflektion der Lehrkräfte hinsichtlich ihrer Berührungspunkte und Erfahrungen mit Antisemitismus – auch hinsichtlich der eigenen Reproduktion von Stereotypen
  • Parallele von Antisemitismus und Rassismus: Im Unterricht beziehen sich Lehrkräfte auf diese Identität der Schüler*innen und exponieren diese

Am Ende ihres Vortrags gibt Prof. Dr. Friederike Lorenz-Sinai Reflexionsimpulse, die eine gemeinsame Aushandlung von Antisemitismus und Rassismus in Schulen empfehlen. Sie betont die extremen Unterschiede in der Wahrnehmung und plädiert dafür, Perspektivwechsel in die Arbeit einzubauen. Die Schulsozialarbeit und weitere Fachkräfte sollten in die Arbeit eingebunden werden.

 

Weitere Informationen

Personenporträt auf der Seite der FH Potsdam

2. Vortrag: Eröffnung von multiperspektivischen Diskussionsräumen

Jan-Hinrich Wagner ist Leiter des Bildungsprogramms des New Israel Fund (NIF) in Deutschland und spricht in diesem Vortrag darüber, wie multiperspektivische Diskussionsräume zum Thema Antisemitismus eröffnet werden können. Der NIF wurde 1979 in den USA gegründet und besteht seit 2014 auch in Deutschland. Der NIF unterstützt die progressive Zivilgesellschaft in Israel, die für Gleichberechtigung und Toleranz einsteht.

 

Die wichtigsten Punkte des Vortrags

  • Das Bildungsprogramm der NIF besteht aus drei Säulen/Themen: 1. Shared Society, 2. Antisemitismus/Rassismus und 3. Israelbildung
  • Gebündelt werden die drei Säulen genutzt, um multiperspektivische Gesprächsräume in Schulen zu eröffnen
  • Erläuterung des Unterschieds von Verstehen und Verständnis
  • Es gibt nicht nur eine „Wahrheit“ in der Bildungsarbeit, sondern mehrere Perspektiven
  • Es müssen Verletzungen unterbunden und bei Diskriminierungen Grenzen gesetzt werden
  • Nicht bloßstellen, sondern Raum für Veränderung ermöglichen
  • Antisemitismus: Einer anderen Gruppe wird eine übermächtige Position zugeschrieben, die diese zu ihren Gunsten ausnutzen würde
  • Rassismus: einer Gruppe wird eine mindere Wertigkeit zugeschrieben, welche eine Unterdrückung legitimiert

Abschließend wird ein kurzer Film gezeigt, der Überschneidungen und Unterschiede von Rassismus und Antisemitismus erläutert. Der Film hat der NIF gemeinsam mit dem Goethe-Institut produziert.

 

Weitere Informationen

Webseite NIF Deutschland

Arbeit und Leben „Motionen im Raum“ (PDF)

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